Gedenkandacht 2017

am Sonntag, 19. November 2017 um 14:00 Uhr
in der Evangelischen Kirche in Freyung

Für die Verstorbenen,
die wir auf ihrem letzten Lebensweg begleitet haben
sowie für alle, die um einen lieben Menschen trauern.

 

Die Regenbogengeschichte

Wir bewunderten alle den Regenbogen. Da fragte uns der Blinde, den wir vor lauter Begeisterung ganz vergessen hatten: „Was ist ein Regenbogen?“ Betroffen standen wir da. Schließlich nahm ich allen Mut zusammen und setzte mich neben ihn: „Ein Regenbogen ist wie der Rahmen eines riesigen Tors, das in ein Schloss führt. Er berührt die Erde an zwei Stellen und mit seiner runden Spitze berührt er den Himmel. Gott hat ihn geschaffen als Zeichen des Friedens. Deswegen kann kein Mensch, solange er lebt, durch diesen Bogen hindurchgehen, weil niemand ganz mit sich selbst und seinen Mitmenschen in Frieden lebt.“
„Gut, sehr gut“, antwortete der Blinde, „aber das war nicht der Grund, warum ihr so begeistert ward. Da muss es noch mehr geben.“ „Ja“, ich zögerte …
„Der Regenbogen hat sieben Farben“, sprach ich weiter.
Der Blinde ließ mir lange Zeit zum Nachdenken und als ich endlich Worte gefunden hatte, konnte ich spüren wie aufmerksam er mir zuhörte.

Rot – ist die Farbe der Liebe. Rot ist, wenn dich jemand lieb (und) umarmt.

Gelb – Gelb ist, wenn du von Gott beschenkt wirst oder himmlische Mächte dich behüten und beschützen.

Orange – Orange ist, wenn du die Liebe Gottes spürst und sie an deine Mitmenschen weiter gibst.

Blau – Blau ist, wenn du in all deinen Sorgen und Nöten einen Menschen hast der treu zu dir hält.

Violett – Violett ist, wenn dich jemand führt, damit du nicht stolperst und dein Ziel ohne Schaden erreichst.

Lila – Lila ist, wenn du durch dein Vertrauen und durch dein Beispiel anderen Menschen zum Leben in Fülle verhilfst.

Grün – Grün ist, wenn in dir neues Leben aufbricht, du in Bewegung kommst und du so den Abstand zwischen Himmel und Erde immer mehr verringerst.

„Wenn ich also die Farben begriffen habe, dann grünt meine Seele“, bemerkte der Blinde nachdenklich … und ich erkannte, dass ich neben einem Weisen saß, der mehr verstand als ich ihm sagen konnte.

Wir begegneten uns erst wieder, als der Blinde auf dem Sterbebett lag. Hätte er sehen können, dann hätte er von seinem Bett aus, durch das Fenster, einen wunderbaren Regenbogen wahrgenommen. Etwas bedrückt fragte ich ihn: „Bist du traurig, dass du nie einen Regenbogen gesehen hast?“
Er lächelte: „Ihr seht den Regenbogen immer nur für kurze Zeit; aber seit du mir den Regenbogen erzählt hast, lebe ich täglich mit ihm. Jetzt schreite ich unter ihm durch und gelange in das Land, in dem wir uns einst alle wiedersehen werden.“

Und der Regenbogen spiegelte sich in seinen Augen, bis er sie für immer schloss.

 

Verfasser unbekannt